Die Making-of-Story des Nuedigital BarCamps 2020

Ein paar Macher aus unterschiedlichen Communities haben zusammen angepackt, um in nur wenigen Wochen ein neues, digitales Barcamp auf die Beine zu stellen. Viele, die sich hier engagieren, tun dies aus purer Leidenschaft. Aus der Freude daran, etwas aufzubauen und Wissen zu teilen. Ich selbst bin leidenschaftliche Netzwerkerin und habe mittendrin gesteckt. Immer wieder bin ich fasziniert davon, was man im Team – selbst wenn man noch nie in der jeweiligen Konstellation zusammen gearbeitet hat – auf die Beine stellen kann. Und wie sich Engagement am am Ende sich für alle auszahlt. Wir haben unglaublich viel gelernt, wir können unsere Kompetenz unter Beweis stellen. Daraus ergeben sich am Ende Kontakte und Geschäftsbeziehungen – eine echte, authentische Währung. Immer wieder fragen mich unterschiedlichste Menschen, warum wir dies tun. Denn wir könnten ja auch Geld verlangen für das ganze Wissen, das wir immer wieder einfach so teilen. Aber jeder, der sich in unseren Communities tummelt, kennt die Antwort: Es geht um etwas ganz Anderes. Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen, um gemeinsam noch viel Größeres zu erreichen. Monetäre Aspekte sind hier nicht der motivierende Treiber, sondern eher ein “Nebenprodukt”, die sich wie selbstverständlich später ergeben. Uns geht es primär um die Denkhaltung des Open First. Mix up your Communities um u.a. kollektives Wissen frei zusetzen ist einer der Grundsätze, die dieses Mindset ausmachen.

Aber kurz mal zur Geschichte. Ein Barcamp ist eine Konferenz, die insofern gar keine ist, als es keine ausgewählten Beiträge, keine Tagesordnung und keine Hürden im klassischen Sinn gibt, um miteinander in den Austausch zu gehen. Es ist eine Unkonferenz, bei der jeder etwas beitragen kann und einfach sieht, ob jemand das hören will oder nicht. Dabei entwickeln sich Themen spontan weiter. Oft weit über die eigenen Vorstellungen und Erwartungen hinaus. Neues und Unerwartetes entsteht. In der Regel und bislang fanden Barcamps meist an realen Orten statt. Mit Räumen, wo man sich traf, und die man beliebig wechseln konnte. Nun geht das wegen Corona nicht. Ausfallen lassen? In Nürnberg für die Gründer und Veranstalter des Nuedigital BarCamps 2020 schlicht keine Option.

Ein virtuelles BarCamp auf die Beine zu stellen, wo trotzdem der virtuellen Umgebung die Prinzipien eines BarCamps gespielt und die typische BarCamp Stimmung aufkommen kann, das ist schon eine echte Herausforderung. Die Prinzipien von BarCamps sind 1) Das Gesetz der zwei Füße: Jeder nimmt an der Session Teil, die ihn interessiert und so lange es ihn interessiert und er etwas beitragen kann. Er kann zu jedem Zeitpunkt in jede beliebige andere Session wechseln.

2) Faktor Zeit: Jede Session hat eine festgelegte Zeit. Wenn die Zeit vorüber ist, ist auch die Session vorbei. Weil: Mehr Zeit bringt nicht mehr/bessere Ergebnisse.

3) Überraschungen: Freue dich auf Überraschungen. Jede Session ist anders, keine ist vorhersehbar. Sie entwickelt sich je nach Teilgebern anders (bei einem BarCamp spricht man in der Regel eher von Teilgebern, nicht von Teilnehmern. Gemeint ist dasselbe. Aber es soll mehr darauf hindeuten, dass jeder einen aktiven Part übernehmen kann zu jeder Zeit.). Man sollte sich einfach darauf einlassen und sich an den unterschiedlichsten Perspektiven erfreuen.

4) Kommunikation auf Augenhöhe: Beim BarCamp kommt es nicht auf Namen,Titel oder Hierarchieebenen an, sondern auf die Inhalte und Beiträge der Teilgeber.

5) Selbstorganisation: Das Programm und die Inhalte jedes BarCamps ist so gut, wie es durch die Teilgeber gestaltet wird. Und auch untereinander unterstützen sich alle gegenseitig und tragen so zum Erfolg der Veranstaltung bei.

Über allem steht im besten Fall die Denkhaltung “Be excellent to each other”.

Aber wie sollten wir das technisch abbilden? Die Spontanität, die Flexibilität, aber auch die Intimität der Kleingruppen und das persönliche Kennenlernen von völlig Fremden?

Wie wir das hinbekommen haben? In nur knapp vier Wochen?

Es war Ingo di Bella, der Initiator und Gründer des NürnbergDigitalFestivals, der gerne ein digitales BarCamp zum Festival initiieren und etablieren würde. Aber auch ihm ist noch unklar, wie das genau gehen soll. Zusammen mit Annika Leopold, Gründerin von Die Digitalwerkstatt Forchheim – beide langjährige Mitglieder der Nuedigital Festival Community – lädt er mich zu einer Brainstorming Session ein. Annika ist Expertin für digitale Kompetenzen bezüglich Haltung, Werkzeugen und Fähigkeiten. Eine echte Macherin – von der Strategie und Konzeption bis zur Umsetzung! Eigentlich hat keiner von uns überhaupt Zeit für neue Projekte. Aber ehe wir uns versehen, sind wir auch schon mitten drin im gemeinsamen Boot: Wir werden das NueDigital Barcamp 2020 organisieren. BarCamps haben wir schon oft organisiert und durchgeführt. Und auch in digitalen Formaten kennen wir uns ganz gut aus. Also legen wir los. Ein tolles digitales BarCamp mit über 450 Teilgebern hat Simon Dückert, einer der namhaften BarCamp Organisatoren im deutschsprachigen Raum bereits im April durchgeführt. Es war als Präsenzveranstaltung geplant bis Corona einen Strich durch die Rechnung machte. Doch seine Colearning Community wollte auf dieses Event nicht verzichten. In nur wenigen Tagen stellte es tatsächlich die Community selbstorganisiert auf die Beine: die unterschiedlichsten Akteure kümmerten sich um technische Basis-Tools, die jeder leicht bedienen konnte. Die eigentlichen Organisatoren stellten die optische Infrastruktur mit Webseite und dergleichen. Herausgekommen sind ein tolles Spektakel und unvergessliche Momente. Simon ist unter anderem auch Teil der Gelben Raben – eines Ökosystems für digitale und soziale Transformation – das ich Anfang diesen Jahres mit gegründet habe. Er hat die Cogneon Akademie gegründet und hilft Unternehmen und Einzelpersonen durch den systematischen Umgang mit Wissen erfolgreich zu sein. Wir kennen uns ursprünglich aus dem Innovationsbeirat – einem ehrenamtlichen Netzwerk, das sich zum Ziel gesetzt hat, Unternehmertum mit neuem Denken zu infizieren und unter anderem zum Bilden offener Ökosysteme motiviert. Simon hat mit seinem Colearning Camps und seinem “lernOS – Bertriebssystem für Lebenslanges Lernen und Lernende Organisationen” bereits eine sehr große Community aufgebaut, in der er ständig dazu anregt, Wissen zu teilen und gemeinsam voran zu kommen. Dabei testet er auch immer wieder die neuesten technischen Highlights in Sachen Community Tools. 15.Oktober: Mit Simon verabrede ich mich kurzfristig zum Mittagessen. Heute gibt er mir ein Update zu aktuellen Tools und wir beratschlagen gemeinsam, welche davon für das digitale BarCamp in Frage kommen könnten. Schnell sind wir uns einig: Da es beim BarCamp darum geht, viele parallele Sessions möglich zu machen, gleichzeitig eine Art “Hauptbühne” für Begrüßung, Ankündigungen und gemeinsamen Abschluss zu haben, sind: Remo und Circuit unsere Favoriten. Mit Remo kann man sich frei einen Tisch im virtuellen Raum aussuchen und dazu setzen. Und schon geht ein Videofenster auf und man kann seine Tischnachbarn sehen und mit ihnen plaudern. Sobald der Moderator der Veranstaltung eine Ankündigung zu machen hat, erlöschen die kleinen privaten Videokonferenzen und alle sehen und hören nur noch den Speaker auf der “Hauptbühne”. Da Simon das Tool unter anderem auch beim CSR Tag in wenigen Tagen im Einsatz hat, können wir es im Team auch gleich mal live ausprobieren. Es macht wirklich Spaß, mal – wie im echten Leben – von Tisch zu Tisch zu “hüpfen” und “hallo” zu sagen. Für passionierte Netzwerker ein schöner Rahmen, um Kontakte zu knüpfen. Circuit bietet eine Oberfläche, wie einige sie vielleicht schon von Slack kennen. Es ist hauptsächlich ein Kommunikationstool zum Chatten mit Einzelpersonen oder Gruppen, für Videokonferenzen und vieles mehr. Ich habe schon ab und zu mal rein geklickt aber tatsächlich nicht richtig damit gearbeitet. Gerne will ich wissen, wo die Vorteile dieser App liegen. Simon empfiehlt mir ein Gespräch mit Thomas Schlebach und Denny Kondic. Die beiden sind Spezialisten im Bereich Social Collaboration & Communication und ehrenamtliche Gründer von Netz & Work. Sie sind Treiber von Collaborations-Formaten wie Working Out Loud und begleitet auch das BarCamp Nürnberg technisch und organisatorisch. Für sie hat sich Circuit für die Zusammenarbeit verteilter Teams bewährt. Denn egal wo die ehrenamtlichen Gründer, ihre Kollegen oder ihre Workshop-Teilnehmer sitzen, jeder kann auch von unterwegs bequem mit dem Smartphone oder Tablet an Webmeetings teilnehmen. Thomas und Denny haben auch das digitale BarCamp Nürnberg maßgeblich unterstützt und kennen sich perfekt in der Szene aus. 16. Oktober: Kurz erklärt mir Thomas per Chat, was er für uns tun und wie er uns unterstützen kann. Es freut mich, dass auch Thomas zu den Menschen gehört, die ihr Wissen gerne teilen und damit andere befähigen, immer besser zu werden. Und: er kennt mich noch nicht mal. 19. Oktober: Ohne große Worte oder Bedenken stellt Thomas also direkt einen connect zu seiner Community her. Kurzerhand werden wir in ihre interne Circuit Gruppe aufgenommen. Alle sind unglaublich nett und hilfsbereit und neben ihren jeweils sehr fordernden Full-Time Jobs super engagiert. 22. Oktober: Wir testen Remo. 27.Oktober: Wir haben eine Session mit und zu Zoom: Roland Lunck, der Account Executive Enterprise von Zoom, bietet uns eine Partnerschaft und ein Sponsoring von Zoom an. Das wirft nun natürlich alles wieder um und wir diskutieren die Vor- und Nachteile des Video Conferencing Tools: Macht es Sinn, alles über einen einzigen Hauptraum zu organisieren? Kommen wir mit den Sessionräumen so klar? Was ist, wenn nicht alle Teilnehmer die App nutzen, die deutlich mehr Funktionsspielraum lässt? Wer hat am sinnvollsten die Moderationsrechte? Wer ist der Host? Was müssen wir noch bedenken? Wir lassen uns ein paar Tage Bedenkzeit. 29. Oktober: Thomas und sein Team stellen uns Wonder vor – ein pfiffiges Videokonferenz-Kommunikationstool. Wonder (ehemals Yotribe) funktioniert sogar in großen Gruppen: Es ist ein virtueller Raum, in dem Menschen ihre Gesprächspartner auswählen und frei zwischen Personen oder Gesprächen von Interesse navigieren können – genau wie im wirklichen Leben. Alle Gäste können sehen, wer mit wem spricht, und sie bewegen ihre eigenen Avatare mit der Maus. Um an einem Gespräch teilzunehmen, rücken sie näher, um es zu verlassen, bewegen sie sich weg. Die Teilnehmer können über Video-, nur-Audio- oder schriftlichen Chat interagieren und Inhalte für alle Gäste oder nur für diejenigen in einem bestimmten Bereich freigeben. Nach dem Test steht fest: die Bubble-Welt könnte tatsächlich eine nette Alternative für die Pausen-Kommunikation unseres virtuellen BarCamps sein. Denn es trifft unser Kern-Bedürfnis: Austausch zwischen den Sessions in einer Art Netzwerk-Raum. Und Spaß macht es auch noch. Währenddessen stößt Sven Latzel zum Orgateam dazu. Auch Sven kennen Annika und ich aus unserer weitläufigen Community. Er hat mit Natalie Golob das Beratungsunternehmen Vitale Arbeitskultur gegründet, um Arbeits- und Lebenswelten zu gestalten. Sven ist ein bisschen verwundert über den sehr forschen und direkten Umgang zwischen Annika und mir in unserer ersten Videokonferenz zu dritt und übernimmt einfach spontan die Moderation. Aber was soll ich sagen? Annika und ich sind aufgrund unserer Leidenschaft für viele unterschiedlichste Projekte sehr kurz getaktet und kennen uns gut genug, um auch ohne “Guzzi Guzzi” gut, gerne und fokussiert zusammen zu arbeiten 😉 Sven ist von der ersten Minute an komplett dabei. Er zögert überhaupt nicht, sofort die Koordination für den technischen Part unseres BarCamps zu übernehmen. Prima – dann können wir nun im Dreiergespann zusammen die Herausforderung in einen Erfolg umwandeln. Je nachdem, welches Tool wir wählen, benötigen wir Zeit für die Einrichtung und technische Vorbereitung. Sven nimmt bereits Kontakt zu Wonder auf, um zu klären, wie viele Teilnehmer wir hier einladen und miteinander interagieren lassen und das Design für uns individualisieren lassen können. Wonder soll also unsere Plattform für den Community Part sein. Zoom die Basis für die inhaltlichen Sessions. Nach dieser Entscheidung kann nun auch die Webseite des Camps online gehen. Johanna, die Leiterin des NueDigitalFestivals und Eva setzen auch das in Windeseile um und schon am nächsten Morgen steht alles.

Doch dann soll doch nochmal alles ganz anders kommen

Doch dann soll doch nochmal alles ganz anders kommen: Während unseres virtuellen monatlichen Neudenker-Lunch-Stammtischs kommt Simon mit einem ganz neuen Tool um die Ecke. Er kannte es selbst noch nicht, fand es aber interessant und so wir probieren es kurzerhand sofort zusammen aus (machen wir oft so in unseren Communities, dass wir dann feststehende Meetings kurzfristig in ein neu entdecktes Tool verlegen und uns dort besprechen). Ich bewege mich nur ein paar Minuten in Workadventu.re und bin gegeistert. Es ist nicht nur witzig und bringt alle Teilnehmer wirklich zum Lachen, es ist auch super funktional und lässt das Integrieren von anderen Tools wie Whiteboards, Videokonferenzen, Webseiten und anderen nützlichen Funktionen zu, die direkt in das Tool eingebaut und daraus angesteuert werden können. Ohne neue Links und Co. Fühle mich wie ein kleines Kind und rufe mit strahlenden Augen: “Das will ich haben und beim BarCamp einsetzen” 🙂

Simon hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt: Gott Sei Dank war das BarCamp technisch noch nicht final eingerichtet.

4. November: Also nehme ich noch am gleichen Tag mit den Machern von Workadventu.re, der französischen Firma The Coding Machine, Kontakt auf und hole Annika, Sven und Ingo schnell mit ins Boot. Kevin Nguyen von The Coding Machine ruft mich direkt abends zurück und wir vereinbaren ein Meeting mit seinem CEO direkt im Tool für den Folgetag.

5. November: Und kaum 22 Stunden später spazieren wir alle mit den Machern von Workadventu.re durch ihre virtuelle Welt. Alle sind begeistert. Und Ingo, der als Initiator und Gründer des NueDigitalfetsivals nur wenige Stunden vor der eröffnenden Pressekonferenz des Festivals steht, stimmt spontan zu: Wir probieren es aus und entscheiden uns am

6.November endgültig für Workadventu.re. Jetzt heißt es alle zusammen loslegen und umsetzen. Simon opfert einen Samstag seines Urlaubs und am Abend steht unser eigener designter Space.

Nochmal der Zeitablauf:

15.10. Mittagessen und Tool Diskussion mit Simon

16.10. Vernetzen mit Thomas

19.10. Gespräch mit Thomas zu Circuit und BarCamp Ideen

22.10. Remo Test mit Thomas und Team

27.10. Besprechung mit Zoom bezüglich Unterstützung und Sponsoring

29.10. Wonder Vorstellung und Test

30.10. Entscheidung für Zoom mit 1 Hauptraum und vielen Breakout-Rooms plus ein Pausen-Tool (Wonder favorisiert, da Remo zu hohe Kosten für nur nebenbei)

4.11. Simon stellt Workadventu.re vor und ich nehme direkt Kontakt mit den Machern auf

5.11. Termin zur Vorstellung von Workadventu.re durch The Coding Machine

6.11. Entscheidung für Workadventu.re

7.11. Eigener Workspace wird gebaut von Simon und Sven; Nuedigital Designerin entwirft noch schnell ein paar individuell gebrandete Komponenten

8.11. Test des Spaces

9.11. Go Live Nuedigital und Workadventure uns Feinjustierung

16./17.11. #NuedigitalBC20 – Das BarCamp live aus der Digitalwerkstatt Forchheim

Die ganze inhaltliche Basis des BarCamps läuft unter einem Hauptraum in Zoom. Um die 10 Sessions finden gleichzeitig in Break-Out Räumen statt, die jeder Teilnehmer/Teilgeber selbst zu jeder Zeit betreten, wechseln oder zum Hauptraum zurückkehren kann. Auch im Hauptraum entstehen spontan Sessions: Unter anderem wird spontan und live das Logo des NueDigitalFestivals 2,5 dimensional in Walnussholz gefräst. Wirklich immer wieder beeindruckend, wie Dinge einfach von selbst entstehen, wenn man ihnen den Raum dazu gibt.