Vor über einem Jahr sind wir alle ganz plötzlich in das große Experiment des ständigen Home Office gestartet. Wir haben uns an Videokonferenzen gewöhnt, regelmäßig virtuelle Kaffees mit Kolleg*innen in der ganzen Welt gehabt, haben konzentriert ohne Ablenkung gearbeitet, digitale Whiteboards entdeckt. Es ging vieles für viele besser als wir erwartet hätten. Und trotzdem freuen wir uns jetzt darauf, ins Büro zurückzukehren, weil es Erlebnisse gibt, die wir nur so haben können.

1. Um ein Whiteboard oder Flipchart stehen und gemeinsam an einer Idee zu arbeiten. Sich Bälle zuwerfen, mal eben etwas aufmalen…

Es gibt Formen der Kooperation und der Co-Creation, die gehen ganz gut remote. Einen Text gemeinsam schreiben und wechselseitig weiterarbeiten etwa. Aber die Energie und Kreativität, die in einem Raum entsteht, wenn wir gemeinsam Ideen fortspinnen, im Brainstorming von langweilig zu albern zu richtig gut springen.

2. Für eine kurze Frage beim Kollegen vorbeilaufen (und vielleicht in einer produktiven Diskussion landen)

Wie geht nochmal der SVERWEIS in EXCEL? Wann war gleich nochmal der Workshop zur Produktentwicklung? Wer ist der Ansprechpartner für dieses Thema in Frankreich? Ich brauche mal dein Feedback zu… Wo du gerade da bist…

3. Morgens an der Kaffeemaschine stehen.

Ja, ein Klischee, aber aus guten Gründen. Büroklatsch austauschen, das Fußballspiel von gestern Abend besprechen oder das neueste virale Video.
Teams jeder Größe brauchen den sozialen Kitt, der so entsteht. Ich mag meine Kolleg*innen und ich freue mich darauf, sie ohne jede Verabredung zu treffen und zu ratschen.

4. Morgens in die Arbeit gehen. Abends nach Hause kommen.

Die Trennung von Arbeit und Privatleben war in New Work Kreisen verpönt: Work-Life Blend statt Work-Life Balance. In der Pandemie haben wir gelernt, wie schwierig es sein kann, sich gut abzugrenzen gegen das Eindringen der Arbeit in die Abende und Nächte, und was das mit unserem Stress- und Energielevel tun kann. Manche haben auch gelernt, wie gut es tun kann, die Struktur und Klarheit eines Büros zu nutzen, um sich ganz auf die Arbeit konzentrieren zu können, ohne ständig gegen die Ablenkungen in der eigenen Wohnung ankämpfen zu müssen.

5. Menschen treffen. In echt und 3D. Spüren, wie es ihnen geht. Sich gegenseitig pushen, Freude und Frust teilen, gemeinsam lachen.

Wir sind soziale Wesen. Wir brauchen menschlichen Kontakt, um erfüllt, glücklich und leistungsfähig zu sein. Wir wollen manchmal wie die italienische Fußballnationalmannschaft sein: uns gegenseitig anfeuern, gemeinsam kämpfen, gemeinsam feiern.

Was ist mit der gemeinsamen Kultur, die nur im Büro aufrechterhalten werden könne, wie gerade viel geschrieben wird? Gemeinsam im Büro zu sitzen wird dies nicht leisten:

Die Erlebnisse bewusst und im Sinne der angestrebten Kultur zu gestalten, das ist die Aufgabe vor der Unternehmen und Teams jetzt stehen. “Office is the new Off-site”. Unternehmen und Führungskräfte müssen den Mitarbeitenden Gründe geben ins Büro zu kommen, und dort aktiv an der gewünschten Kultur arbeiten. Wer jetzt die Rückkehr ins Büro lediglich irgendwie geschehen lässt, verpasst eine enorme Chance, ein besseres Arbeiten zu ermöglichen, indem er das Beste aus beiden Welten behält.

Autor dieses Beitrages ist Philipp Osswald.